LAUSITZ


Lexikon des Mittelalters:
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Lausitz (Nieder- und Oberlausitz)
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I. Bevölkerung, Siedlung und Wirtschaft:
Größere Bedeutung erlangte das Gebiet der Lausitz zuerst in der Zeit der Lausitzer Kultur (seit Mitte des 2. vorchristlichen Jahrtausends in der Ober-Lausitz stärker verbreitet). Seit ca. 500 v. Chr. drängten Germanen von Nordwesten her die Lausitzer Kultur (Illyrer) nach Süden ab. Seit etwa 200 v. Chr. bewohnten Vandalen den Osten der Nieder-Lausitz, im 2. Jh. n.Chr. zogen Burgunder in das Gebiet ein. Nach dem Abzug der Germanen (bis etwa 400) wanderten seit 600 von Osten Slaven ein, die erstmals beim Geographus Bavarus (840/850) faßbar werden, der je 30 Burgen (civitates) bei den Stämmen der Lunsizi im Norden und der Milzeni (Milsener) im Süden erwähnt. Sie siedelten in kleinen weilerartigen Dörfern und trieben überwiegend Ackerbau. Die slavische Bevölkerung hat sich in Nieder- und Ober-Lausitz über das MA hinaus bis zur Gegenwart erhalten, wobei aber ihre heutige Bezeichnung 'Sorben' nicht der ursprüngliche Bedeutung entspricht (Sorben, Stammesgruppe im Elbe/Saale-Gebiet).
In der Nieder-Lausitz verteilte sich die slavische Bevölkerung auf mehrere kleine Siedlungskammern und besonders den Landstrich südlich des Spreewaldes zwischen Lübben und Cottbus, während in der Ober-Lausitz ein Gebiet geschlossener slavischer Besiedlung zwischen Kamenz und Löbau mit dem Mittelpunkt Bautzen entstand. Neben der bäuerlichen Tätigkeit entwickelten sich frühe Formen des Handwerks, einschließlich der Eisenverarbeitung; Handelsplätze sind nachzuweisen.
Gegen 1200 setzte die deutsche Kolonisation ein, die bisher unbewohnte Landstriche erfaßte: das südliche Bergland und den nördlichen Höhenrücken der Ober-Lausitz und die noch siedlungsfreien Gegenden der Nieder-Lausitz. In die nach deutschem Recht durchgeführte Kolonisation (Landesausbau und Kolonisation) wurden in nennenswertem Umfang slavische Siedler einbezogen. Frühe Kaufmannssiedlungen entstanden im 12. Jh. an den Fernstraßen, die von Leipzig aus durch die Nieder-Lausitz nach Frankfurt/O. und durch die Ober-Lausitz nach Breslau führten. Daraus entwickelten sich die bedeutenderen landsässigen Städte, deren wichtigste Grundlage die Tuchmacherei war. Die Landwirtschaft herrschte im Wirtschaftsleben vor, im Nordosten der Ober-Lausitz wurde das anstehende Raseneisenerz seit dem 15. Jh. von Hammerwerken ausgebeutet.

II. Herrschaftsstrukturen:
Mit der Auflösung gentiler Beziehungen entwickelte sich seit dem 9. Jh. adlige Herrschaft in enger Anlehnung an die Burgen. Die wohl wichtigste von ihnen, Liubusua, zerstörte König HEINRICH I. 932. Etwa gleichzeitig wurde das Land der Milsener um Bautzen unter deutsche Herrschaft gebracht, die aber noch nicht dauerhaft war. Die Zehntrechte im Land Lusici, die dem Bistum Brandenburg 948 bzw. dem Magdeburger Moritzkloster 961 verliehen wurden, konnten offenbar nicht durchgesetzt werden und gingen 972 (wie in Milzane) an das Bistum Meißen. Etwa seit dieser Zeit waren Ober- und Nieder-Lausitz Bestandteil der von Kaiser OTTO I. begründeten Marken. Gleichzeitig ist aber auch der slavische Senior Dobromir als Fürst (?) nachzuweisen. Vom Slavenaufstand 983 wurden beide Gebiete nicht erfaßt.
Von 1002 bis zum Frieden von Bautzen 1018 herrschte Kampf in den Lausitzen, die von Boleslaw I. Chrobry als Reichslehen beansprucht wurden. Erst mit dem Sturz Mieszkos II. gelangten die Länder dauerhaft an das Reich. Die Ostmark wurde an die WETTINER gegeben, bei denen sie mit Ausnahme einer böhmischen Periode 1075-1081 verblieb. Der WETTINER Konrad erhielt 1144 auch das Land Bautzen, das sein Sohn Otto 1158 wieder aufgeben mußte.
Nieder-Lausitz: Sie gelangte bei der wettinischen Landesteilung 1156 an Dietrich von Landsberg (5. D.), fiel aber 1210 an die Hauptlinie zurück. Markgraf Heinrich der Erlauchte (60. H.) nutzte sie als Basis für seinen erfolglosen Versuch, in den Raum südlich und östlich von Berlin vorzudringen. Sein Enkel Diezmann verkaufte sie an Brandenburg. Nach dem Aussterben der brandenburgischen ASKANIER 1319 gerieten Teile der Lausitz an Herzog Rudolf von Sachsen und Herzog Heinrich von Jauer, der Hauptteil war von den WITTELSBACHERN 1323-1328 an die WETTINER verpfändet. Eine erneute wettinische Pfandschaft von 1353 endete 1364, 1368 ging die Nieder-Lausitz an Böhmen über, bei dem sie bis 1635 verblieb.
Im Zusammenhang mit der Kolonisation begann die territoriale Aufgliederung des Landes. Neben dem Markgrafen erscheint 1156 ein Burggraf von Cottbus. Seit dem letzten Viertel des 13. Jh. treten Angehörige edelfreier und reichsministerialer Geschlechter aus dem Saale-Mulde-Raum als Inhaber der großen Herrschaften auf, die für das politische Gefüge der Nieder-Lausitz kennzeichnend waren. Daneben bestand ein zahlenmäßig starker Kleinadel auf Rittergütern. Seit 1411 sind die Landstände als Korporation erkennbar. Die seit dem 14. Jh. auswärtigen Landesherren ließen sich durch Landvögte vertreten, die seit dem späten 15. Jh. in Lübben saßen, wo sich eine Zentralverwaltung ausbildete. Im späten MA ist die Nieder-Lausitz mehrfach verkleinert worden. An Brandenburg fielen Teupitz 1431, Cottbus 1445/55, Zossen 1478, an Sachsen Finsterwalde 1425, Senftenberg 1448, Beeskow, Storkow und Sonnewalde 1477.
Land Bautzen: Es gelangte 1253 an Brandenburg, 1268 wurde ein eigenes Land Görlitz abgetrennt, das 1319-1339 und 1377-1396 unter eigenen Herzögen stand, während Bautzen 1319 wieder böhmisch wurde. Gegen die schwache Herrschaft der HABSBURGER übertrug der Ober-Lausitzer Adel 1469 die Landesherrschaft dem ungarischen König Matthias Corvinus. 1490 wurde König Wladyslaw von Polen Herr über die Ober-Lausitz, die 1526 den HABSBURGERN zufiel. Erst in der 2. Hälfte des 15. Jh. wurden die 'Länder' Bautzen, Görlitz und Zittau in Anlehnung an das Land (Nieder-)Lausitz als Ober-Lausitz bezeichnet.
Die territoriale Entwicklung vollzog sich ähnl. wie in der Nieder-Lausitz, begann jedoch schon zu Anfang des 13. Jh. mit der Ausbildung einiger Standesherrschaften, neben denen ein sehr zahlreicher Kleinadel mit seinen Rittergütern das soziale Gefüge bestimmte. Die großen landsässigen Städte Bautzen, Görlitz, Zittau, Kamenz, Lauban und Löbau schlossen sich 1346 im Ober-Lausitzer Sechsstädtebund zusammen, womit sie neben der Ritterschaft eine starke Stellung erlangten und im Bunde mit dem auswärtigen Landesherrn den Landfrieden sicherten. Da die Landesherren niemals im 'Markgrafentum' Ober-Lausitz residierten, setzten sie Landvögte ein, neben denen seit dem ausgehenden MA die von den Landständen ernannten Landeshauptleute standen. Das Land war tatsächlich von den Landständen regiert. Territoriale Verluste sind durch die Territorialbildung der Bischöfe von Meißen um Stolpen und Bischofswerda und durch den Übergang südlicher Randgebiete an Böhmen 1253 eingetreten, während das böhmische Land Zittau nach 1346 hinzugewonnen wurde.

III. Kirchengeschichte:
Die ursprünglich territoriale Einheit der beiden Markgrafentümer spiegelt sich in den beiden gleichnamigen Archidiakonaten des Bistums Meißen wider, die 1216 (Ober-Lausitz) und 1228 zuerst genannt werden. Beide Länder gehörten dem Bistum Meißen seit seiner Gründung 968 an. Die slavisch besiedelten Gebiete wurden wohl schon am Ende des 10. Jh. durch Burgwardkirchen mit umfangreichen Urpfarreien missioniert. Die deutsche Kolonisation des frühen 13. Jh. ließ zahlreiche Siedlerpfarreien entstehen, während die großen Standesherrschaften weitflächige Herrschaftspfarreien formierten.
Das Zisterzienserkloster Doberlug entstand 1165 als Hauskloster in der wettinischen Ostmark. Zisterzienserinnen wurden 1234 in Marienthal bei Zittau und 1248 in Marienstern bei Kamenz angesetzt (beide Ober-Lausitz). 1235 bestand das Benediktinerinnenkloster vor der Stadt Guben, in Bautzen wurde 1221 ein Kollegiatstift errichtet. Von den Hussitenzügen wurde die Ober-Lausitz als Nachbarland Böhmens 1419-1434 besonders schwer heimgesucht.

K. Blaschke