Begraben: Verdun
Einziger Sohn des Herzogs
Gottfried III. der Bärtige von Nieder-Lothringen aus seiner
1. Ehe mit der Doda, Tochter von
Lexikon des Mittelalters: Band IV Seite 1598
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Gottfried IV. der Bucklige, Herzog von Nieder-Lothringen
1069-1076
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+ 26. Februar 1076
bei Vlaardingen nahe der
Maastrichtmündung
Sohn von Gottfried III. und Oda
oo Mathilde von Tuszien
Wurde 1069 von HEINRICH IV.
als Herzog eingesetzt. Die Ehe Gottfrieds IV.
des Buckligen mit Mathilde
wurde persönlich wie politisch eine Katastrophe. Die Markgräfin
lebte seit 1071 ständig getrennt von ihrem mißgebildeten Mann
auf ihren Gütern in Italien. Während sie - durchaus in der Tradition
des lothringisch-tuszischen Fürstenhauses - zur entschlossenen Anhängerin
Papst Gregors VII. wurde, stand Gottfried IV.
in bedingungsloser Weise für seinen König ein, beteiligte sich
aktiv am Kampf gegen die Sachsen (Unstrut, 1075) und an der Absetzung Gregors
VII. (Worms, 1076). In Nieder-Lothringen verteidigte er Repräsentant
der königlichen Autorität die Scheldegrenze gegen den Grafen
von Flandern und wurde auf einem seiner Feldzüge brutal ermordet.
Ohne Aussicht auf leibliche Nachkommen, setzte Gottfried
IV. der Bucklige seinen Neffen Gottfried
von Bouillon frühzeitig zum Erben ein, trotz des Widerstandes
von seiten Mathildes.
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Gottfried
war eine der wichtigsten und zuverlässigsten Stütze
Kaiser HEINRICHS IV. Er gewann Holland
und schlug mit den sächsischen Aufstand nieder. Seine Gemahlin wurde
eine der wichtigsten Stützen der päpstlichen Seite. Aus diesem
Grunde lebten die Ehegatten getrennt. Da die Ehe kinderlos war, setzte
Gottfried seinen Neffen
Gottfried
von Bouillon zum Erben ein. Im Kampf um Holland wurde er vermutlich
im Auftrage des Grafen Dietrich V. von Holland ermordet.
Golinelli Paolo: Seite 146-157
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"Mathilde und der Gang nach Canossa"
Mathildes
Vermählung
mit ihrem Stiefbruder Gottfried
stand schon seit langem fest. Wahrscheinlich war sie bereits bei der Eheschließung
ihrer Eltern beschlossen worden, als
Mathilde
noch keine 10 Jahre alt war. Die beiden jungen Leute trafen einander vermutlich
bei mehr als einer Gelegenheit - etwa als die beiden Frauen des Hauses
CANOSSA von HEINRICH III. in Haft
genommen und als Gefangene nach Deutschland gebracht wurden, oder als der
junge Gottfried 1067 seinen Vater nach
Italien begleitete, wie Benzio berichtet -, und es ist anzunehmen, dass
sie als Kinder miteinander gespielt haben. Man darf sich nicht vorstellen,
dass Mathilde
und Gottfried der Bucklige
eine Verlobungszeit hatten. Durch das von den Eltern abgelegte
Eheversprechen waren die beiden faktisch bereits vermählt. Zum Inkrafttreten
der Ehe fehlten nur noch die körperliche Reife (die bei den Mädchen
nicht einmal Bedingung war) und eine günstige Gelegenheit. Diese Gelegenheit
kam bald, aber nicht eben unter glücklichen Umständen.
Gottfried
der Bärtige kehrt krank in seine lothringischen Länder
zurück, zuerst nach Bouillon, dann nach Verdun. Als sich sein Zustand
verschlimmert, ruft er seine ganze Familie, den italienischen und den lothringischen
Teil, zu sich. Sobald sein Sohn Gottfried
und seine Stieftochter Mathilde
bei
ihm eingetroffen sind, läßt er ihre Hochzeit ausrichten, um
seine Nachfolge in den beiden Herrschaftsgebieten, Lothringen und Toskana-Poebene,
vor seinem Hinscheiden zu regeln, vielleicht in der - wohl nicht unbegründeten
- Befürchtung, dass nach seinem Tod das Eheversprechen nicht eingehalten
werde. Einer Anordnung Papst Alexanders II. nachkommend - vielleicht weil
er und Beatrix
ihr Enthaltsamkeitsgelübde nicht eingehalten hatten -, trifft er auch
die Verfügung, zwei Klöster zu gründen, in Lothringen die
Abtei Orval, in Italien die Abtei Frassinoro.
Der Markgraf stirbt am Heiligen Abend des Jahres 1069.
Sein Sohn Gottfried der Bucklige erbt
seine Reichtümer und seine Macht. Zur Festigung seiner Position und
besseren Kontrolle seiner Besitzungen und Herrschaften hält er sich
weiter in Lothringen auf. Während Beatrix
nach
Italien zurückkehrt, um sich um die Angelegenheiten ihres Hauses zu
kümmern, bleibt Mathilde
bei ihrem Ehemann.
Man weiß nicht, ob die körperlichen Mängel
ihres Mannes, den Lampert von Hersfeld als tapferen, aber kleinwüchsigen
und buckligen Jüngling beschreibt, die junge Mathilde
abgestoßen
haben. Aber auch hier muß man darauf achten, das Verhältnis
zwischen den beiden nicht bloß auf eine Mann-Frau-Beziehung zu reduzieren.
Im Laufe des Jahres 1070 wurde Mathilde
aller Wahrscheinlichkeit nach schwanger. Dieses Ereignis fand auch
am Kaiserhof Resonanz, denn wir lesen in einem Diplom HEINRICHS
IV. vom 9. Mai 1071: "wenn nicht der Herzog [Gottfried],
so sein Erbe". An diesem Datum nahm man also auf einen Erben Bezug - wenn
es sich dabei nicht nur um eine Kanzleiformel handelt. Am 29. August desselben
Jahres gründete Mathildes
Mutter Beatrix
im
odenesischen Apennin das Kloster Frassinoro und stattete es mit einem ansehnlichen
Patrimonium aus, "für das Heil meiner Seele, der Seele des verstorbenen
Markgrafen und Herzogs Bonifaz, meines früheren Ehegemahls, und für
die Unversehrtheit und die Seele meiner geliebten Tochter Mathilde,
und für das Seelenheil des verstorbenen Herzogs Gottfried,
meines Gemahls, und für das Seelenheil der verstorbenen Beatrix 'Neptis
meae' [lat. neptis - Nichte oder Enkelin]." Ich bin zu dem Schluß
gekommen, dass es sich bei dieser Beatrix um die gleichnamige Enkelin von
Mathildes
Mutter, also um die Tochter Mathildes
handelt. Aus vielerlei Gründen bin ich zu der Ansicht gekommen, dass
die Ende August 1071 als Verstorbene genannte Beatrix das Kind Mathildes
ist,
auf deren Schwangerschaft Anfang Mai hingewiesen wird. Hier meine Rekonstruktion
der Ereignisse: Wir finden Mathilde
Ende 1069 mit ihrer Mutter am Sterbebett des Stiefvaters; vor dessen Tod
heiratet sie seinen Sohn. Anfang des folgenden Jahres kehrt Beatrix
nach
Italien zurück und führt am 25. Mai 1070 den Vorsitz bei einem
Gerichtstag in Florenz; Mathilde
ist
mit ihrem Ehemann in Lothringen verblieben und wird im Herbst schwanger;
etwa im Frühsommer 1071 bringt Mathilde
ein Mädchen zur Welt, das sie Beatrix nennt, mit einem in ihrer Familie
häufigen Namen, den auch ihre Mutter trägt, nach der sie sich
wahrscheinlich sehnt. Die Niederkunft war wohl nicht leicht - im Mittelalter
war eine Geburt oft schwierig und gefährlich -, und die kleine Beatrix
starb wahrscheinlich bald darauf. Dass Mathilde
die Ehe vollzogen hat, wird durch Bischof Rangerius von Lucca bezeugt.
Wieviel Mathilde
damals gelitten hat, läßt sich aus der Sorge ihrer Mutter Beatrix
um
die Erhaltung des Lebens (die "Unversehrtheit") ihrer Tochter erkennen,
die in der Gründungsurkunde von Frassinoro zum Ausdruck kommt. Es
ist ein ungewöhnliches Wort, dieses incolumitas, in einer mittelalterlichen
Urkunde. Aber hier kehrt es mehrmals wieder und weist auf die Angst hin,
die Beatrix
um ihre Tochter hat, die weit weg von ihr ist und in einer feindseligen
Umgebung leben muß, wie Beatrix
wohl
während ihres Aufenthalts in Lothringen selbst erfahren hat. Mathilde
befand sich in Gefahr zum einen wegen ihrer durch die schwere und unglückliche
Entbindung angegriffene Gesundheit und zum anderen, weil sie ihrem Gemahl
nicht den Erben geschenkt hatte, der die Fortdauer der Familie garantieren
sollte - die Hauptaufgabe einer Ehefrau im Mittelalter, vor allem in den
Familien der Oberschicht. Für Mathilde
war
es eine schreckliche Zeit. Sobald es ihr die Umstände erlaubten, floh
sie vor ihrem Mann zu ihrer Mutter, bei der wir sie am 19. Januar 1072
in Mantua antreffen.
"Herzog Gottfried von Lothringen,
der sich in Antwerpen, an der Grenze zwischen Lothringen und Flandern aufhielt,
wurde auf heimtückische Weise ermordet, vermutlich auf Anstiften Graf
Roberts von Flandern. Als der Herzog nachts, als alles schlief, von einem
menschlichen Bedürfnis getrieben, den Abtritt aufsuchte, stieß
ihm ein Meuchelmörder, der draußen auf ihn gelauert hatte, sein
Schwert zwischen die Gesäßbacken, ließ es in der Wunde
stecken und lief rasch davon. Gottfried
siechte noch eine Woche dahin und starb dann am 27. Februar [1076].
Er wurde in Verdun neben seinem Vater beigesetzt. Er war eine große
und kraftvolle Stütze des deutschen Reichs, denn obwohl er wegen seines
Kleinwuchses und seines Buckels bei weitem durch die Fülle seines
Ruhms und sein riesiges und starkes Heer, durch seine Reife und Klugheit
und die ein Leben lang eingehaltene Mäßigung."
So schildert Lampert von Hersfeld den Tod Gottfrieds
des Buckligen, der an allen europäischen Fürstenhöfen
der damaligen Zeit Aufsehen erregte und von vielen anderen Chronisten und
Schriftstellern in verschiedenen Variaten überliefert wurde. Es gab
sogar Stimmen, die
Mathilde des Verbrechens bezichtigten:
"Im Glauben, dass ihre beiden Geschwister vom tückischen
HEINRICH
IV. umgebracht worden seien und sich als einzige Überlebende
betrachtend, verbündete sich
Gräfin
Mathilde mit Gregor VII., indem sie, listiger als die Schlange,
die unsere Voreltern in Gottes Paradies verführte und betrog, nicht
mit den Waffen, sondern mit geschickten Täuschungen vorging. Sie,
die vor kurzem als Jungfrau in die Ehe mit Gigon [Gottfried],
einem äußerst klugen Mann und Herzog der Normandie eingegangen
war, bereute es nach wenigen ruhigen Jahren, dass er als Herr über
ihr Herrschaftsgebiet herrschte, und ließ ihn mit Hilfe einer treuen
Dienerin insgeheim ermorden: Als er auf dem Abtritt saß, stieß
man ihm ein Schwert in das Gesäß. Sie wollte nämlich die
Herrschaft über ihre Grafschaft, die fast die ganze Toskana bis Rom
umfaßte, allein ausüben."
Diese realistische Schilderung stammt von dem Mailänder
Geschichtsschreiber Landulfus Senios, der ein erbitterter Gegner Mathildes
war.
Nachdem Mathilde
in die Toskana zu ihrer Mutter zurückgekehrt war, versuchte Gottfried
alles mögliche, um sich mit ihr auszusöhnen, hatte aber keinen
Erfolg mit seinen Bemühungen. Im Herbst 1072 kam Gottfried
nach Italien und schenkte Mathilde
ein Reliquienkästchen aus dem Besitz Bonifaz' von Canossa, das sie
nach Lothringen gebracht hatte, als sie mit ihrer Mutter an das Krankenbett
des Stiefvaters geeilt war und man anschließend Hochzeit gefeiert
hatte. Gottfried
hatte es vor seinem Tod zusammen mit anderen Gütern an die Abtei Saint-Hubert
geschenkt. Sein Sohn, der im Streit mit Abt Theoderich lag, hatte
das Kästchen wieder in seinen Besitz gebracht. Als Mathilde
nun verlangte, er solle es ihr zurückgeben, brachte Gottfried
ihr
das Reliquienkästchen nach Italien in der Hoffnung, sie damit wieder
für sich einzunehmen. Welche Wirkung diese Geste gehabt haben mag,
ist nicht bekannt. In den überlieferten Urkunden agieren die beiden
allerdings nie gemeinsam; außerdem schreibt der Chronist von Saint-Hubert,
Mathilde
habe
ihren Gemahl während seines Aufenthaltes in Italien, der fast ein
Jahr dauerte, die "maritalem gratiam" verweigert. Es gibt jedoch historische
Gründe, weshalb Mathilde
in diesen Urkunden nicht erwähnt wird: Die legitimen Erben der canossanischen
Herrschaft in der Emilia und Toskana waren Beatrix
als Witwe des Bonifaz von Canossa und Gottfried
der Bucklige als Sohn Gottfrieds
des Bärtigen. Mathilde besaß zu jener Zeit keinen Rechtstitel,
aufgrund derer sie in privaten und öffentlichen Urkunden in Erscheinung
treten konnte.
Zu der Zeit, als sich Gottfried
der Bucklige in Italien aufhielt, fand ein für Mathildes
persönliche Geschichte und für die gesamte Christenheit äußerst
wichtiges Ereignis statt: die Papstwahl Gregors VII. Am 28. April setzte
der neue Papst Markgraf Gottfried von
seiner Wahl in Kenntnis.Wahrscheinlich hat Gottfried
ihn
daraufhin beglückwünscht und ihn gleichzeitig gebeten, ihm bei
seinen ehelichen Schwierigkeiten zu helfen, denn Gregor VII. versicherte
ihm in einem Schreiben vom 6. Mai, er werde sich der Probleme, die er mit
Mathilde
habe, annehmen. Gottfried
blieb mit Sicherheit bis zum August jenes Jahres in Italien. Dann kehrte
er nach Lothringen zurück, ohne jedoch seine Versuche, sich mit seiner
Frau auszusöhnen, aufzugeben.
Zwei Anfang 1074 datierte Briefe des Papstes an Mathilde
sind
erhalten, die wahrscheinlich von dem Wunsch diktiert sind, die Probleme
des Herzogs von Lothringen und der Gräfin von Canossa zu lösen.
Gregor forderte sie indirekt auf, Gottfried
gegenüber
größere Nachsicht und Milde walten zu lassen, auch wenn er gefehlt
habe, gerade weil Mathilde,
wie Maria, erhabener und edler sei als die anderen Menschen. Eine Versöhnung
zwischen Gottfried
und Mathilde
hatte für den Papst große Bedeutung, versuchte er doch den Lothringer
zum Verbündeten zu gewinnen, um die Normannen besser unter Kontrolle
halten zu können. Deshalb übte er auf die junge Markgräfin
Druck. Aber Mathilde
blieb unbeugsam. Die kaum 30-jährige zeigte sich ihrem Mann gegenüber,
der trotz seiner Mißbildung auch die Achtung nicht eben kaisertreuer
Annalisten wie Lampert genoß, abweisend und kalt.
Für die den CANOSSA nahestehenden mittelalterlichen
Chronisten war Mathildes
Haltung der Beweis für ihre Berufung zum Klosterleben, zu einem Leben
in Keuschheit. Durch sie ist der Mythos von einer Frau entstanden, die
den Schwächen des Fleiches nicht erlag; gleichzeitig hat man dafür
die körperlichen Mängel des armen Gottfried
verantwortlich
gemacht. Man muß aber Gottfried zumindest
zugute halten, dass er ehrlich bemüht war, die Einigkeit in seiner
Familie zu bewahren und ihre Macht nicht zu zersplittern. Mathildes
Unbeugsamkeit
kann andererseits nicht allein dadurch erklärt werden, dass sie gegen
ihren Willen mit einem kleinwüchsisgen, buckligen und - nach Meinung
einiger Historiker - mit einem Kropf behafteten Mann verheiratet worden
war. In Wahrheit brauchten die beiden Herrinnen von Canossa nun nicht mehr
den Schutz eines mächtigen Kriegsmannes. Sie genossen jetzt einen
viel mächtigeren, aber mit Takt und Rücksichtnahme ausgeübten
Schutz durch die Kirche und deren Oberhaupt. Daher war es für sie
günstiger, dass die Ehegatten getrennt blieben und dass sich Gottfried
der Bucklige nicht in die Verwaltung ihrer Herrschaftsgebiete
einmischte. Das sind die einleuchtenden "politischen" Gründe, die
dem Historiker ins Auge springen, da die menschlichen Beweggründe
in den historischen Quellen nicht aufscheinen.
Unter diesen Voraussetzungen ist es verständlich,
dass sich das Verhältnis zwischen den Eheleuten ständig verschlechterte.
Mathilde
versöhnte
sich nicht mehr mit ihrem Mann, und dieser näherte sich immer stärker
HEINRICH
IV. In einem Brief vom 11. September 1075 schrieb Gregor VII.
den Markgräfinnen
Beatrix und Mathilde,
dass die Schwüre Gottfrieds des Buckligen
nicht
mehr glaubwürdig seien. Der Bruch war endgültig. Dass sich Gottfried
nunmehr
politisch vom Papst gelöst hatte, ist aus der Tatsache zu ersehen,
dass er am 24. Januar 1076 in Worms unter denjenigen war, die Gregor VII.
für abgesetzt erklärten und ihm sogar eine Liebesbeziehung mit
Markgräfin
Mathilde unterstellten: Mit dieser "Frau eines anderen" hab der
Papst "nähern Umgang und wohne mit ihr in größerer Vertrautheit
zusammen, als es sich geziemt hätte."
Einen Monat später fand der
Bucklige
ein schreckliches Ende.
In wessen Auftrag handelte der grausame Meuchelmörder? Welche Symbolhaftigkeit
verbarg sich hinter diesem furchtbaren Tod? Mathilde
von Canossa-Tuszien und Gregor VII. waren sicherlich nicht die
einzigen Feinde und nicht die einzigen, die aus seinem Tod Vorteil ziehen
konnten: Wie bereits erwähnt, beschuldigte Lampert von Hersfeld Robert
von Flandern; manche sahen in Balduin von Hennegau den Drahtzieher des
Verbrechens; nur Landulfus Senior klagte Mathilde
an.
Die Mönche der von Gottfrieds
Vater
gegründeten Abtei Saint-Hubert sahen diesen Tod als eine gerechte
Strafe Gottes an, da ihnen der Bucklige
verschiedene von Gottfried
dem Bärtigen dem Kloster testamentarisch hinterlassene Güter
verweigert hatte. Einen besonderen Grund, sich über diesen Tod zu
freuen, hatte Gottfried
von Bouillon, denn er war der designierte Nachfolger des Herzogs.
Betrachten wir aber den Hergang dieses dieses Verbrechens, über den
in der Forschung Übereinstimmung herrscht, so bieten sich auch Schlußfolgerungen
an, die uns eher von den Regionen der hohen Politik wegführen. Eine
niederträchtige, von einem Meuchelmörder vollführte Tat
(oder von einem rachsüchtigen Mann - der Begriff Meuchelmörder
setzt einen Auftraggeber voraus, hat es einen solchen wirklich gegeben?),
der eine Zeitlang unterhalb des Bretterbodens einer Latrine oder Kloake
auf das ahnungslose Opfer wartete, ihm einen Schwerthieb in die bewußte
Stelle versetzte und durch Kot und Schlamm watend entfloh, während
die Diener dem unglücklichen Opfer, in dessen After immer noch das
Schwert steckte, zu Hilfe eilten. Ein grausames Ende also, aber auch ein
anrüchiges Verbrechen, das nicht in die adlige Welt paßte.
Mathilde
kümmerte das Seelenheil ihres verstorbenen Ehemannes offenbar überhaupt
nicht: Weder eine Schenkung an irgendeine Kirche noch die Errichtung einer
Kapelle, in der ein Priester Messen für ihn hätte lesen können,
sind bekannt. Sie bezeichnete sich in den Urkunden immer als Tochter Bonifaz',
nie als Ehefrau Gottfrieds des Buckligen.
In den Urkunden der Markgräfin wird dieser lediglich zweimal genannt,
um die Tatsache zu rechtfertigen, dass sie weiterhin nach dem salischen
Recht, das heißt nach fränkischem Recht, lebte "von Geburt langobardisch,
jetzt salisch aufgrund ihrer Eheschließung mit Gottfried."
Dies ist nicht nur eine einfache Formalität, sondern die Betonung
eines gesellschaftlichen Aufstiegs, der der Ehe mit einem Mann zu verdanken
war, dessen die ihm kirchlich angetraute Frau nur deswegen gedachte.
Durch den Tod Gottfrieds des
Buckligen kamen die Gräfinnen von Canossa, Beatrix
und
Mathilde,
endlich wieder in den vollen Besitz ihrer Gebiete und Herrschaftsrechte
im Königreich Italien, für die sie nun auf das Bündnis und
den mächtigen Schutz Hildebrands zählen konnten, des neuen Papstes,
der sich Gregor VII. nannte.
Mohr Walter: Band II Seite 48-63
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"Geschichte des Herzogtums Lothringen"
Herzog Gottfried dürfte
in den letzten Wochen des Jahres 1075 den Reichsangelegenheiten wieder
etwas entzogen worden sein, da in Holland eine Intervention des Grafen
Robert von Flandern zugunsten seines Stiefsohnes Dietrich drohte. So finden
wir ihn zu Weihnachten 1075 in Utrecht, wo er zweifellos mit Bischof Wilhelm
entsprechende Gegenmaßnahmen besprochen hat. Aber dann begab er sich
mit diesem zusammen nach Worms und nahm als einer der wenigen weltlichen
Fürsten an der dortigen Synode teil, auf der die Absetzung Gregors
VII. ausgesprochen wurde. Wie weit die Situation inzwischen gediehen war,
zeigt die Tatsache, dass der berüchtigte Kardinal Hugo der Weiße
in Gegenwart Gottfrieds
Beschuldigungen wegen Ehebruchs gegen dessen Gemahlin und den
Papst erheben konnte. Die erwähnte Vermittlungsaktion von Beatrix
und Mathilde
wird
also in dieser Zeit in einem politischen Bruch mit dem Herzog geendet haben,
der auch den endgültigen persönlichen Bruch zwischen den beiden
Ehegatten in sich enthielt. So ist es auch nicht erstaunlich, dass
Gottfried sich
angeboten haben soll, den künftig zu bestimmenden Papst nach Rom zu
geleiten.
Von Worms ist er sofort wieder nach Utrecht gegangen,
ein Zeichen, wie stark die Bedrohung Hollands im Augenblick war. Dann erschien
er mit einer Streitmacht in der Gegend von Vlaardingen und bezog dort ein
Lager. Hier wurde er durch einen Mordanschlag tödlich verletzt. Der
Mörder, seine Motive, bzw. seine Auftraggeber sind unbekannt geblieben.
Es ist natürlich begreiflich, dass die damalige
Zeit im Grafen Dietrich von Holland den Schuldigen sah. Gottfried
konnte sich noch nach Utrecht bringen lassen, dort ist er am 22. Februar
1076 gestorben. Seine Leiche wurde in Verdun beigesetzt.
1069
oo 1. Mathilde von Tuszien, Tochter des Markgrafen
Bonifaz I.
x 1046-24.7.1115
seine Stiefschwester
Kinder:
Beatrix
1071- 1071
Literatur:
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Boshof, Egon: Die Salier. Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart Berlin Köln 1987, Seite 206,213,219,225 - Brunos
Buch vom Sächsischen Kriege. Übersetzt von Wilhelm Wattenbach,
Phaidon Verlag Essen 1986, Seite 48,78 - Die Salier und das Reich,
hg. Stefan Weinfurter, Jan Thorbecke Verlag 1991, Band I Seite 264, 378,381,383,386,388,395,397,400-402,413,423,426-429,435,440-442,444,450,456,460,
464,467,470/Band II Seite 14/Band III Seite 305,506 - Goez Elke:
Beatrix von Canossa und Tuszien. Eine Untersuchung zur Geschichte des 11.
Jahrhunderts, Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1995, Seite 10,24,28-32,36,40,44,46,71,76,101,110,115,128,145,165,166,168,
171,178,179,183,189,204,213,219,221,226,228,231 - Golinello, Paolo:
Mathilde und der Gang nach Canossa, Artemis und Winkler Düsseldorf
1998, Seite 103,116,119,137,146-148,152-159,162,165,178,182,241,247,266,300
- Schulze Hans K.: Das Reich und die Deutschen. Hegemoniales Kaisertum.
Ottonen und Salier. Siedler Verlag, Seite 411, 419,431,445 - Wies,
Ernst W.: Kaiser Heinrich IV. Canossa und der Kampf um die Weltherrschaft,
Bechtle Esslingen 1996, Seite 24,27,63,77,107,116,119,124 -