2. Sohn des Grafen Eustach II. von Boulogne und
der Ida von Lothringen, Tochter von Herzog
Gottfried dem Bärtigen
Lexikon des Mittelalters: Band IV Spalte 1598
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Gottfried von Bouillon (Gottfried V.)
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* um 1060, + bald nach 18. Juli 1100
Boulogne Jerusalem
Herzog von Nieder-Lothringen 1087-1096, einer der Führer des 1. Kreuzzuges
LEBEN UND WIRKEN
1. Als Herzog von Nieder-Lothringen
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Gottfried war der
2. Sohn Eustachius' II., Grafen von Boulogne, und der Ida von
Ardenne, der Schwester
Gottfrieds
des Buckligen und Tochter Gottfrieds
des Bärtigen. Er wurde um 1075 von seinem Onkel Gottfried
dem Buckligen adoptiert und als Nachfolger designiert. Dennoch
wurde er von Kaiser HEINRICH IV. 1076
lediglich mit der Markgrafschaft Antwerpen belehnt und konnte das Herzogtum
Nieder-Lothringen erst 1087 in Besitz nehmen.
Gottfried
betrieb die Durchsetzung der Erblichkeit der Herzogswürde.
Er hielt die Expansionsbestrebungen seiner Nachbarn, der Grafen von Löwen
und Namur sowie des Fürstbischofs von Lüttich, in Schach; auch
verstand er es, aus seinen Interventionen in den Abteien St-Hubert und
St-Trond Nutzen zu ziehen, ebenso 1096 aus seinem Eingreifen gegen die
Judenverfolgung im Mittelrheingebiet. Als er 1096 das Kreuz nahm, führte
er eine Veräußerung seines Herzogtums durch, die ihm bei präsumptiver
Heimkehr den Rückkauf ermöglichen sollte.
2. Auf dem 1. Kreuzzug
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Gottfried unterschied
sich in seiner Haltung insofern von den übrigen Führern des 1.
Kreuzzuges, als er enge Beziehungen zu HEINRICH
IV. hatte. Eine feste Ansiedlung im Osten plante er im Unterschied
zu anderen Kreuzfahrern nicht. Während der 1. Hälfte des Kreuzzuges
kann seine Position zwar als gesichert, nicht aber als dominierend bezeichnet
werden. Nachdem sich Gottfrieds Bruder
Balduin
von Boulogne in Edessa niedergelassen hatte (10. März 198)
erhielt auch Gottfried
dort
Besitzungen und wurde mit Hilfsgütern versorgt. Gewachsener Reichtum
und gestiegenes Prestige ließen ihn während des Marsches auf
Jerusalem (Frühling und Frühsommer 1099) zum Rivalen des bis
dahin tonangebenden Raimund von St-Gilles werden. Am 22. Juli 1099, eine
Woche nach dem Fall Jerusalems, wurde er zum Oberhaupt der neuen Kreuzfahrerherrschaft
gewählt. Es gibt keinen klaren Beleg, dass er den Titel eines 'advocatus
Sancti Sepulcri' geführt hat; üblicherweise nannte er sich 'princeps'.
Während seiner nur einjährigen Regierung übte er offenbar
eine straffe Kontrolle bei der Eroberung von Palästina aus und schuf
erste Grundlagen einer feudalen Organisation. Andererseits war er bereit,
für sein Fürstentum eine formelle Belehnung durch Daimbert, den
Patriarchen von Jerusalem, der zugleich päpstlicher Legat war, zu
empfangen, und
Gottfried von Bouillon
dürfte auch weitreichende Zugeständnisse an die Kirche von Jerusalem
gemacht haben. Sich dadurch anbahnende tiefgreifende Konsequenzen wurden
allerdings durch Gottfrieds
Bruder
und Nachfolger,
Balduin I. durchkreuzt.
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Thiele Andreas:
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"Erzählende Genealogische Stammtafeln"
Gottfried von Bouillon
war 1090 mit Kaiser HEINRICH IV. in
Italien, 1096 Mitanführer des 1. Kreuzzuges und mußte unterwegs
dem Kaiser von Byzanz einen Lehenseid für eventuell zurückeroberte
ehemals byzantinische Gebiete schwören. Er eroberte Nablus, Hebron,
Tiberias, Bethlehem und 1099 Jerusalem. Gottfried
lehnte die Königskrone ab und nannte sich "Beschützer
des Grabes".
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Gottfried wurde von
seinem Onkel
Gottfried
II. der Bucklige adoptiert und 1076 Erbe aller Allodien. Er wurde
Graf von Bouillon nebst Verdun und Markgraf von Antwerpen und stand ständig
gegen Flandern. Er war ein typischer Vertreter des aufstrebenden Rittertums,
zog 1080-1084 mit Kaiser HEINRICH IV.
nach Rom und erhielt von ihm für seine treuen Dienste 1089 als Nachfolger
des Kaisersohnes KONRAD das Herzogtum
Nieder-Lothringen. Er war von 1090-1096 wieder mit in Italien, konnte weder
die kaiserliche noch die herzogliche Position in Nieder-Lothringen behaupten
und verkaufte alle seine Güter einschließlich der Stammburg
Bouillon an den Bischof von Lüttich, um den 1. Kreuzzug finanzieren
zu können. Er erhoffte sich im Heiligen Land eine neue Herrschaft.
Er wurde 1096 einer der Führer des 1. Kreuzzuges, erstürmte im
Jahre 1099 Jerusalem und wurde im gleichen Jahr zum 1. König von Jerusalem
gewählt, begnügte sich aber mit dem Titel "Vogt des Heiligen
Grabes". Am 12.8.1099 besiegte er die Ägypter bei Askalon.
Mohr Walter: Band II Seite 63-73
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"Geschichte des Herzogtums Lothringen"
Gottfried
der Bucklige besaß keine Nachkommen. Zur Regelung der Nachfolge
griff er in seinem Testament auf den Sohn seiner Schwester Ida,
die mit dem Grafen Eustachius von Boulogne verheiratet war, zurück.
Dabei adoptierte er diesen Neffen, der ebenfalls Gottfried
hieß, als seinen Sohn. Dessen Nachfolge in der Toscana war
natürlich nicht möglich, weil er nicht der Sohn des verstorbenen
Herzogs war. Dagegen suchte umgekehrt dessen Gemahlin Mathilde
Ansprüche in Lothringen geltend zu machen. Sie fand für ihr Vorgehen
gegen Gottfried einige Verbündete
im lothringischen Raum selbst.
Eine zentrale Stellung nahm bei dieser Entwicklung der
Bischof Dietrich von Verdun ein. Das ARDENNER-Haus
hatte ja gerade um die Grafschaft Verdun lange Kämpfe geführt,
bei denen es in den dortigen Bischöfen entsprechende Gegner gefunden
hatte. Jetzt nach dem Tode Gottfrieds
des Buckligen hielt Bischof Dietrich den Zeitpunkt gekommen, die
Ansprüche des Bistums voll und ganz durchzusetzen. Damit war von vornherein
ein Zusammengehen mit der Markgräfin gegeben. Ein weiterer Verbündeter
bot sich im Grafen Albert von Namur an, der der Gemahl der älteren
Schwester von des jungen Gottfrieds
Mutter Ida war. Er hielt daher seine Verwandtschaft zu dem verstorbenen
Herzog für näher und seine Ansprüche auf das Erbe für
begründeter. Bischof Dietrich wandte sich außerdem an den Erzbischof
von Reims, der für einige Gebiete von Gottfrieds
Erbe Lehensherr war, um ihn zu veranlassen, auch den Papst an der Sache
zu interessieren. Vermutlich wurde auf diesem Wege erst die Verbindung
zu Mathilde
und weiter zwischen ihr und dem Grafen von Namur zustande gebracht. Der
Bischof und der Erzbischof waren sich daher vorher über den einzuschlagenden
Weg einig geworden. Die Grafschaft Verdun sollte an Mathilde
übertragen
werden, die sie dann weiter als Lehen an den Grafen Albert zu geben hatte.
Es gelang, Papst Gregor VII. für diesen Plan zu gewinnen. Dadurch
kam zunächst einmal die Transaktion mit der Grafschaft Verdun in der
abgesprochenen Form zustande, der Graf von Namur wurde nach der Belehnung
mit der Vertretung der Interesssen Mathildes
beauftragt.
In der Folge wurde zuerst vom Abt von St. Hubert ein
Versuch zu einer gütlichen Einigung gemacht. In seinem Kloster trafen
sich Gottfried
und
Albert, doch führten die Unterredungen zu keinem Erfolg. In der Hauptsache
scheint es um die
Burg Bouillon gegangen zu sein, von der jetzt
Gottfried Besitz ergriffen konnte.
Albert war es nicht möglich, ihn dort zu vertreiben, obwohl er dabei
vom Bischof von Verdun unterstützt wurde, da auf der anderen Seite
sein Gegner Hilfe von Bischof Heinrich von Lüttich erhielt. Dieser
war mit Gottfried
dem Buckligen verwandt gewesen, dem er ja auch seine Erhebung zu
verdanken hatte. Schon aus diesem Grunde ergriff er die Partei Gottfrieds
von Bouillon, außerdem mußte ihn das starke Anwachsen
der Macht des Grafen von Namur mißtrauisch machen. So kaufte er die
Burg Mirwart, die Albert als Stützpunkt gegen Gottfried
benutzen
wollte, von ihrem Eigentümer, der Gräfin Richilde von Hennegau,
und setzte sie in Verteidigungszustand, was sich zum Schutz Gottfrieds
auswirkte.
Während die Auseinandersetzungen um Bouillon begannen, bemühten
sich Gottfrieds Brüder Eustachius
und Balduin um die Organisation militärischer
Hilfe. Daraufhin gelang es ihm auch noch Stenay zu besetzen. Er besaß
indes noch andere Gegner. So stand auf seiten des Grafen Albert der Graf
von Chiny und dessen Verwandter, der Graf Walram I. von Limburg. Auf die
Burg
Bouillon speziell erhob Ansprüche auch Graf Dietrich von der Veluwe,
der damit zum natürlichen Verbündeten des Grafen von Namur wurde.
Dietrich hatte allerdings kein Glück, er geriet im Laufe der Kämpfe
in die Gefangenschaft
Gottfrieds, in
der er gestorben ist.
In all diesen Fragen ist nun die Haltung des deutschen
Königs nicht eindeutig zu erkennen. Ohne Schwierigkeiten folgte Gottfried
in
der Markgrafschaft Antwerpen nach, die eine von Nieder-Lothringen unabhängiges
Reichslehen darstellte, in das er von HEINRICH
IV. eingewiesen wurde. In Nieder-Lothringen selbst aber traf
der König eine andere Lösung. Er kam sofort nach Utrecht, um
dort die schwebenden Angelegenheiten zu ordnen. Er gab nun das Herzogtum
nicht dem Erben des Verstorbenen, sondern seinem eigenen Sohn KONRAD.
Da dieser noch ein Kind war, ist die Maßnahme einigermaßen
auffallend. Schließlich war Gottfried von
Bouillon im Jahre 1076 noch ein junger Mann, von dem es zweifelhaft
war, ob er sich gegenüber den Großen Nieder-Lothringens werde
durchsetzen können. Allerdings ist es demgegenüber auffallend,
dass der König zum Stellvertreter des kleinen KONRAD
im
Herzogsamt den Grafen Albert von Namur wählte, also den Gegner Gottfrieds.
Albert führte den Titel vicedux. Immerhin besteht auch die Möglichkeit,
dass der König sich des jungen Gottfried
nicht
ganz sicher war. Er war ja schließlich der 2. Sohn des Grafen
Eustachius von Boulogne, der von Frankreich lehnsabhängig war,
der ehedem in der Hauptsache die Verbindung des Grafen Robert von Flandern
zum französischen König gefördert hatte, so dass ein flämisch-französischer
Einfluß in Nieder-Lothringen über die Vermittlung des Hauses
BOULOGNE eintreten konnte, was für einen deutschen König
auf jeden Fall unerwünscht war.
Einsichten über die Meinung Gottfrieds
lassen sich also auf diesem Wege nicht gewinnen. Seine Familie scheint
jedoch mit einem künftigen Erwerb des Herzogtums gerechnet zu haben,
wenn wir einer englischen Chronik glauben dürfen, die berichtet, Gottfrieds
Mutter Ida hätte ihren Sohn mit einer solchen Hoffnung
getröstet. Auf der anderen Seite läßt sich aber auch nicht
erweisen, dass
Gottfried
etwa aktiv
auf der Seite des Königs gewirkt hätte. Die in diesem Zusammenhang
auftauchenden Nachrichten über ein Beteiligung an den Sachsenkriegen
können nicht aufrechterhalten werden. Ebenso steht es mit einer angeblichen
Teilnahme am Romzug 1081/82, die uns nur von späteren Quellen berichtet
wird, während die zeitgenössische Chronik von St. Hubert zeigt,
wie gerade in dieser Zeit Gottfried
gegen
den Grafen Dietrich von der Veluwe kämpfte, an der Einführung
des Gottesfriedens in Lüttich teilnahm und auch in seiner Tätigkeit
als Vogt von St. Hubert nachzuweisen ist.
Inzwischen gingen die Kämpfe um Gottfrieds
Erbansprüche weiter. Die Auseinandersetzungen hatten sich so entwickelt,
dass Gottfried sich in Nieder-Lothringen
gegen den Herzogstellvertreter Albert von Namur behaupten konnte. Anfang
Juni 1085 kam es dann zu einer Regelung, als der Kaiser in Metz weilte.
Gottfried
wurde die Grafschaft Verdun zugesprochen, der Bischof von Verdun erhielt
Stenay und Mouzay, was einigermaßen merkwürdig ist, denn die
beiden letzteren Orte hatten zum Eigenbesitz
Gottfrieds
des Buckligen gehört, auf sie konnte sein Neffe also mit vollem
Recht Anspruch erheben. Gottfried hat
sich denn auch nicht zufriedengegeben, und die Kämpfe lebten wieder
auf. Eine endgültige Regelung trat erst ein, als Gottfried
in Vorbereitung des Kreuzzuges Stenay und Mouzay an den Bischof verkaufte.
Die herzogliche Gewalt in Nieder-Lothringen war in dieisen
Jahren, da auch der deutsche König durch den Streit mit dem Papst
so stark getroffen wurde, fast zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Um
den Zustand des Landes wieder zu heben, kam man auf die Institution des
Gottesfriedens zurück. Auch der Herzogstellvertreter hat bei dessen
Wiedereinführung mitgewirkt, offensichtlich weil er seine eigene politische
Ohnmacht fühlte.
Eine Änderung bei der Herzogswürde in Nieder-Lothringen
trat erst ein, als der Königssohn KONRAD
Ende
Mai 1087 in Aachen zum König gekrönt wurde. Das hat wohl
HEINRICH IV. Anlaß gegeben, die Verhältnisse in Nieder-Lothringen
in einen definitiven Zustand zu bringen. Wie uns die Annalen von St. Jakob
in Lüttich versichern, wurde in diesem Jahr 1087 der Markgraf
Gottfried zum Herzog erhoben. Der Chronist Sigebert von Gembloux
schreibt allerdings erst zum Jahre 1089, schließlich sei Gottfried
das
Herzogtum Lothringen gegeben worden. Man könnte vielleicht annehmen,
er sei im Jahre 1087 nur allgemein zum Herzog erhoben und erst 1089 mit
Nieder-Lothringen betraut worden, doch ist die Chronik Sigeberts nicht
immer zuverlässig.
Da Gottfrieds Name
in der nachfolgenden Zeit in fast allen Gebieten des Herzogtums Nieder-Lothringen
genannt wird, wurde also seiner Stellung wohl allgemein anerkannt. Eine
Ausnahme bildete der Norden des Herzogtums, wo sich allmählich die
Grafschaft Holland in Eigenständigkeit absonderte. Auch in den südlichen
Territorien änderte sich übrigens bald die Situation. Gottfried
geriet hier vor allem in die Auseinandersetzungen im Bistum Lüttich,
wo Ende des Jahres 1091 Bischof Heinrich starb.
Inzwischen war der Herzog Gottfried
aus dem Streit um die Abtei St. Truiden ausgeschieden, er hatte sich für
den Kreuzzugsgedanken gewinnen lassen. Er dachte dabei wohl gleich von
Anfang an daran, nicht mehr zurückzukehren, denn er begann seine Eigengüter
zu veräußern. Stenay und Mouzay gingen an den Bischof von Verdun,
die Burg Bouillon erwarb der Bischof von Lüttich, wobei allerdings
hier ein Rückkaufsrecht für Gottfried
oder seinen Erben bestehen blieb. Im August 1096 hat Gottfried
sein
Herzogtum verlassen.
Mayer Hans Eberhard: Seite 43-45,47-49,55-63
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"Geschichte der Kreuzzüge"
Als einer der ersten verließ Mitte August 1096,
also zum festgesetzten Termin, Gottfried von Bouillon
mit einer großen Menge von Lothringern, Nordfranzosen und Deutschen
die Heimat. Er stammte aus dem Hause der Grafen von Boulogne und war von
HEINRICH
IV. 1087 zum Herzog von Nieder-Lothringen ernannt worden. Er
scheint sich in dieser Stellung keinen allzugroßen Einfluß
errungen zu haben, so dass er vielleicht im Kreuzzug die Möglichkeit
sah, zu höheren Zielen zu gelangen. Wir wissen allerdings gar nichts
über die Gründe seiner Kreuznahme. Aus dem teilweise schon in
den Quellen berichteten Verkauf seiner Güter, ja sogar seiner
Stammburg
Bouillon, hat die Forschung zum Teil geschlossen, dass er die Brücken
hinter sich abzubrechen und nicht mehr zurückzukehren gedachte. Aber
eine genaue Betrachtung erweist, dass er für die Finanzierung von
seinen Familiengütern nur Stenay und Mousay zwischen Verdun und Sedan
an den Bischof von Verdun verkaufte, mit dem er hierüber einen langen
Streit gehabt hatte und dem er im Zuge dieser Flurbereinigung die von ihm
zu Lehen besessene Grafschaft Verdun zurückgab, freilich mit dem Proviso,
dass der Bischof sie seinem Bruder Balduin
verleihen müsse. Dagegen hat er den "Pays de Bouillon" (östlich
von Sedan in Belgien) als seinen Hauptbesitz dem Bischof von Lüttich
nur verpfändet, sich und seinen Erben ein Auslösungs- oder Rückkaufsrecht
jedenfalls ausdrücklich vorbehalten. Vor allem aber verzichtete er
nie auf sein Herzogtum, sondern holte vorschriftsmäßig die kaiserliche
Erlaubnis zum Verlassen des Reiches ein, und der Kaiser ernannte auch erst
nach Gottfrieds Tod einen neuen Herzog
von Nieder-Lothringen. Da Gottfried
der erste war, der später über Jerusalem regieren sollte, hat
sich die Legende in hervorragendem Maße seiner angenommen und ihn
zu einer Art Leitbild des idealen Kreuzfahrers gestempelt. Dieser Prozeß
setzte schon kurz nach dem 1. Kreuzzug mit dem Chronisten Albert von Aachen
ein, der in Gottfried
seinen Heros sah. Gottfried
war sicherlich nicht so reinen Herzens und Gemüts, wie man ihn im
Mittelalter hingestellt hat, aber er war andererseits auch keine absolut
mittelmäßige Figur, wie man im 19. Jahrhundert angenommen hat.
Er war reich genug, um ein ansehnliches Kontingent von Vasallen und Rittern
aufzubringen, und es waren vornehmlich Lothringer, die während und
nach dem Kreuzzug in seiner Umgebung einflußreich waren. Der Zug
verlief reibungslos und schon am 23. Dezember 1096 war Gottfried
in Konstantinopel, wo er bereits den Grafen Hugo von Vermandois vorfand,
der etwa zur gleichen Zeit aufgebrochen war, mit seinem kleinen Kontingent
aber den Seeweg genommen hatte. Die Lehnseidleistung durch Graf Hugo führte
dazu, dass Gottfried von Bouillon,
der als nächster ankam, wiederholte Einladungen des Kaisers, in die
Stadt zu kommen, ausschlug. Auch weigerte er sich, den Eid zu leisten.
Alexios
versuchte
zweimal, Gottfried
unter
Druck zu setzen, indem er die Lebensmittellieferungen für das Heer
sperrte, worauf die Lothringer mit Plünderungen der Vorstädte
antworteten. Beim zweitenmal, im Januar 1097, ließ
Gottfried
sogar den kaiserlichen Blachernenpalast belagern. Alexios
war nicht gewillt, das zu dulden; auch wollte er Gottfried
vor dem Eintreffen weiterer Kreuzfahrer nach Kleinasien bringen. Er ließ
es auf einen Kampf mit den Kreuzfahrern ankommen, bei dem sich diese den
byzantinischen Truppen unterlegen erwiesen. Gottfried
war nunmehr bereit, am 20. Januar den geforderten Eid zu leisten. Er wurde
mit seinem Heer sogleich über die Meerenge transportiert und marschierte
entlang der Küste des Marmarameeres nach Pelecanum, einem byzantinischen
Militärlager.
Das erste Ziel der Kreuzfahrer war Nicaea, die Hauptstadt
des Seldschuken-Sultans Kilidsch-Arslan.
Sie lag günstig an einem See und war durch über 200 Türme
gesichert. Am 6. Mai kam Gottfried
an,
vier Wochen später war das gesamte Heer beisammen, die Belagerung
kam aber schon am 14. Mai in vollen Gang. In der Stadt befand sich nicht
nur der seldschukische Staatsschatz,
sondern auch die Familie des Sultans. Am 21. Mai wurde
Kilidsch-Arslan, der die Kreuzfahrer nicht ernst genommen hatte,
besiegt und zog ab. Hier zeigte sich zum erstenmal, dass die Kreuzritter,
wenn sie in offener Schlacht auf die Muslime stießen, diesen durch
den wuchtigen Anprall ihrer gepanzerten Reitertruppen überlegen waren.
Am 19. Juni übergab die Besatzung die Stadt Nicaea dem byzantinischen
Admiral Butunites.
Nach einem Sieg über die Seldschuken am 30. Juni
1097 fiel das türkische Lager mit seinen Prunkzelten und seiner reichen
Beute den Kreuzfahrern in die Hände.
Am 7. Juni 1099 erklomm das Heer einen Berg, über
den die Straße führte, und nun endlich sahen die Kreuzfahrer
Jerusalem vor sich liegen. Nachdem man 3 Belagerungstürme fertiggestellt
hatte, begann man guten Mutes in der Nacht vom 13./14. Juli den Angriff.
Gottfried
hatte
im Norden mehr Erfolg mit seinem Turm als Graf Raimund im Südwesten.
Am 15. Juli 1099 manövrierte er ihn unweit des heutigen Herodestor
geschickt an die Mauer und ließ von oben eine Brücke herab.
Ein flämischer Ritter aus Tournai namens Letold stürmte als erster
Kreuzfahrer auf die Mauer, gefolgt von
Gottfried
und den Lothringern sowie Tankred. Während die Lothringer ihren Genossen
die Tore öffneten, stürmte Tankred zum Tempelplatz, dem Zentrum
der Stadt, vor und besetzte die Aqsa-Moschee. Außer dem fatimidischen
Gouverneur und seinem Gefolge kam kein Muslim mit dem Leben davon. Der
Rausch des Sieges, der religiöse Fanatismus der Kreuzfahrer und die
aufgestaute Erinnerung an die durchstandene Mühsal von 3 Jahren entlud
sich in einem entsetzlichen Blutbad, dem unabhängig von Religion und
Rasse jedweder zum Opfer fiel, der den metzelndnen Kreuzfahrern vor die
Klinge geriet.
Nachdem die ersten sanitären Ordnungsmaßnahmen
getroffen worden waren, versammelten sich die geistlichen und weltlichen
Führer des Kreuzzuges, um über weitere Maßnahmen zu beschließen.
Es stellte sich jetzt heraus, dass man von Europa ausgezogen war, merkwürdigerweise
ohne irgendwelche Vorstellungen zu haben, was man denn mit Jerusalem nach
seiner Eroberung anfangen sollte. Raimund lehnte die ihm angebotene Krone
ab mit der schlauen Bemerkung, er wolle nicht König sein, wo Christus
gelebt habe. Er erkannte wohl, dass ihm das Angebot nur mit halbem Herzen
gemacht worden war, und hoffte, durch seine Antwort auch Gottfried
an
der Übernahme der Herrschaft hindern zu können.
Gottfried
war im Heer allgemein beliebt, und er hatte es verstanden, sich aus den
unerquicklichen Streitigkeiten der Fürsten weitgehend herauszuhalten,
wofür man in Kauf nehmen mußte, dass er eine weniger profilierte
Persönlichkeit war als etwa Bohemund oder Raimund. Er und seine Berater
erwiesen sich jetzt freilich als sehr klug, denn Raimunds Manöver
wurde geschickt überspielt, indem Gottfried
zwar
die Krönung ablehnte, die ihm angebotene Herrschaft aber übernahm,
womit die entscheidende Frage, welchen Herrschaftseinfluß man der
Kirche zubilligen solle, vorerst offengelassen wurde. Auf nicht ganz feine
Art gelang es Gottfried
auch,
sich in den Besitz des Davidsturms zu setzen, den Raimund von Toulouse
erobert hatte, ohne den er nicht Herr in der Stadt sein konnte. Raimund
zog daraufhin verärgert von Jerusalem ab und führte seine Leute
zur Pilgerfahrt nach Jericho und an den Jordan.
Trotz aller Rebereien verschloß sich Raimund ebensowenig
wie Robert von der Normandie, der damals
in gespanntem Verhältnis zu Gottfried
gestanden zu haben scheint, dessen Aufruf zur Hilfeleistung gegen das ägyptische
Heer, das unter dem Wesir al-Afdal (1094-1121) von Süden heraufrückte.
Am 12. August 1099 kam es in der Ebene vor der starken ägyptischen
Seefestung Askalon zur Schlacht. Die Ägypter wurden in ihrem Lager
von den Kreuzfahrern überrascht und vollständig aufgerieben;
al-Afsdal floh in seine Heimat. Am 13. August kehrte man im Triumph nach
Jerusalem zurück. Der Erfolg des Kreuzzuges war gesichert.
Anfang September 1099 verließen die meisten Kreuzfahrer
Jerusalem. Robert von Flandern, Robert von der Normandie, Balduin
von Bourcq und Raimund von Toulouse zogen mit ihren Truppen
nach Norden ab, die beiden Roberte, um nach Hause zurückzukehren.
In Jerusalem blieben nur Gottfried von Bouillon
und Tankred zurück, deren Truppen nur etwa 300 Ritter und 2.000 Fußsoldaten
umfaßten. Gottfrieds Herrschaft
beschränkte sich vorerst auf Jerusalem, den Hafen Jaffa und die Orte
Lydda, Ramla, Bethlehem und St. Abraham (Hebron), das er stark befestigte.
Tankred eroberte sich eine eigene Herrschaft, die anfangs aus den Städten
Tiberias, Nazareth und Beisan bestand, und nahm dise Gebiete als Herrschaft
Tiberias von Gottfried zu Lehen, und
allmählich entwickelte sich daraus das spätere Fürstentum
Galilaea.
Nach der Aufhebung der Belagerung Latakias reiste Erzbischof
Daimbert von Pisa, der mit mit einer pisanischen Flotte gekommen war, und
Bohemund von Antiochia nach Jerusalem, wo sie zu Weihnachten 1099 zusammen
mit Balduin von Edessa, der sich ihnen
angeschlossen hatte, eintrafen. Bohemund und Balduin
hatten ja noch immer ihr Pilgergelübde zu erfüllen. Gottfried
benötigte Bohemunds und Balduins Ritter ebenso dringend wie Daimberts
Flotte; er hatte ihren Wünschen daher nichts entgegenzusetzen. Dem
Normannen Arnulf wurde die Leitung der Kirche von Jerusalem entzogen und
Daimbert an seiner Stelle zum 1. lateinischen Patriarchen (1099-1102) erhoben.
Anschließend erfolgte eine Investitur Gottfrieds
durch den Patriarchen, und auch Bohemund ließ sich von Daimbert mit
Antiochia investieren, während Balduin von
Edessa diesem Beispiel offenbar nicht folgte.
Der Akt von Weihnachten 1099 war in Wirklichkeit nichts
anderes als eine normale kirchliche Weihe des neu entstandenen Staatswesens
in Jerusalem. Eine Lehennahme, wie sie bereits im 12. Jahrhundert gedeutet
wurde, wäre für Gottfried
inakzeptabel gewesen. Er scheint lediglich bereit gewesen zu
sein, dem Patriarchen eine geistliche Herrschaft im Reich zuzugestehen,
wie man sie auch in Lydda eingerichtet hatte, nur vielleicht größer
und basierend auf dem Stadtviertel von Jerusalem, das die Patriarchen dort
besaßen. Daimbert dagegen scheint mit bescheideneren Plänen
mindestens angefangen zu haben und an Gottfried,
dem er in einem Brief vor seiner Ankunft in Jerusalem einmal den selten
bezeugten Titel eines Sancti Sepulchri advocatus gab, als Vogt in Jerusalem
gedacht zu haben. Daimbert gab sich mit einem Stadtviertel nicht zufrieden,
sondern erzwang durch seinen Reichtum und seine Macht in einer Politik
fortschreitender Erpressung von Gottfried
die Abtretung eines Viertels von Jaffa, dann der Zitadelle von Jerusalem,
schließlich der gesamten Stadt und des Restes von Jaffa, was alles
Gottfried nur auf Lebenszeit zum Nießbrauch
verbleiben sollte.
Das Abkommen ließ Gottfried
wenigstens Zeit, seine Macht in der Küstenebene auszudehnen, und in
der Tat waren einige kleine Emire der Hafenstädte ebenso wie einige
transjordanische Scheichs willens, ihm Tribute zu zahlen. Im Juni 1100
kam eine venezianische Flotte nach Jaffa. Sie wurde von
Gottfried freudig
begrüßt, da er in ihr eine Gelegenheit sah, sich von Daimberts
Druck zu befreien, dessen Stellung durch die Abfahrt der Pisaner geschwächt
worden war. Während er noch mit den Venezianern verhandelte, wurde
er von einer schweren Krankheit befallen, aber der Vertrag kam noch zustande
und sah für eine bis zum 15. August währende Hilfe zollfreien
Handel im ganzen Reich, Marktrecht in allen Orten und ein Drittel aller
mit der zugesagten Hilfe eroberten Städte vor. Der ungeheure Preis
beweist, wie sehr Gottfried daran gelegen war, ein Gegengewicht gegen Daimbert
zu schaffen. Doch er sollte eine Änderung der Verhältnisse nicht
nnehr erleben. Am 18. Juli 1100 erlag er seinem Leiden. Er war der
1. christliche Herrscher Jerusalems, dem an der Kreuzigungsstätte
Golgatha eine würdige Ruhestätte bereitet wurde.
Literatur:
------------
Boshof, Egon: Die Salier. Verlag W. Kohlhammer
Stuttgart Berlin Köln 1987, Seite 225,258,267 - Die Salier
und das Reich, hg. Stefan Weinfurter, Jan Thorbecke Verlag 1991, Band I
Seite 267,373,390,395,401,409,413,416, 424,432,444-446,449-451,453-457,459-462,
464-467,470,473/Band II Seite 21/Band III Seite 506 - Golinello,
Paolo: Mathilde und der Gang nach Canossa, Artemis und Winkler Düsseldorf
1998, Seite 158,266 - Runciman, Steven: Geschichte der Kreuzzüge,
Sonderausgabe in 1 Band Verlag H.C. Beck München 1978, Seite 110,132,133,140-141,142-144,144-148,152,168-170,174-176,178,180,206,209,216,217,222,232,235,238-239,243-244,
244-245,246,249,250,257-258,2567,269-270,273,279-301,301-303,305 - Wies,
Ernst W.: Kaiser Heinrich IV. Canossa und der Kampf um die Weltherrschaft,
Bechtle Esslingen 1996, Seite 186,215, 222 -